Sein Leben als Pfarrer und Dichter in Berlin
Nachdem er 6 Jahre als Pfarrer in Mittelwalde war, erreichte ihn der Ruf nach Berlin. Der alte Propst M. Petrus Vehr wurde mit 70 Jahren heimgerufen. Nun gab es Streit über den Nachfolger. M. Fromm sollte nach dem Brauch Propst werden, aber unter den drei Pfarrern war nur einer, der besonders fürsorglich war: Georg Lilie. Nach dem Tod Vehrs schlug der Kurfürst M. Georg Lilie als Nachfolger vor. Zwei Wochen nach seiner feierlichen Einführung starb er am 28. April 1657.

„Ein Pastor muss stehend sterben!“, hatte er einmal gesagt. Er starb wirklich stehend. M. Fromm wurde jetzt zum neuen Propst gewählt. Der Rat der Stadt, als Patron der Nikolaikirche, ernannte Paul Gerhardt zum zweiten Diakonus an der Kirche. „Die Stadt Berlin war im Aufblühen begriffen. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm sorgte mit seiner ungewöhnlichen Tatkraft, dass die hässlichen Spuren des großen Krieges getilgt wurden. Die lange Brücke war schön erneuert, der Schlossplatz gepflastert, neben den alten Fachwerkbauten, die mit Stroh oder Schindeln gedeckt waren, erhoben sich neue Häuser, die mit edlem Geschmack ausgestattet waren. Weinstöcke und Obstbäume wurden vor den Häusern gepflanzt und als Spaliere an den Wänden hinaufgezogen. Ein Lustgarten wies den leuchtenden Schmuck von in Berlin noch nie gesehenen Tulipanen und wurde mit Hecken aus Kirchen- und Mandelbäumen umgeben. Die Zahl der Einwohner, die nach der Beerdigung des großen Krieges auf schätzungsweise sechstausend herabgesunken war, hob sich zusehends. Man spürte das Wehen einer neuen Zeit, die den Stempel des weitschauenden Geistes des großen Fürsten trug.

Die Kirche, in der Paul Gerhardt wirkte, ist die älteste Kirche in Berlin. 1944 wurde die diese ausgebombt, nur noch die Umfassungsmauer war stehen geblieben. Die Einkünfte von Paul Gerhardt waren gut, deshalb hatte er keine wirtschaftlichen Sorgen. Eins seiner bekanntesten Lieder entstand in der Zeit, wo er von Mittelwalde nach Berlin zog (1653). Der Titel lautete: „Praxis pietatis melica“. 81 Lieder von Paul Gerhardt waren darin. Crüger komponierte die Melodie dazu. Kein anderer Melodieschöpfer ist so oft im Liederbuch vertreten wie Crüger. Gerhardt lebte so, wie er gesungen hat. Sein Glaubenslied wurde aus der reformierten Botschaft herausgesungen: Gerecht durch den Glauben allein.

Aber das größte Leid war der Streit zwischen dem Kurfürst und dem Geistlichen Ministerium. Das lutherische und das reformierte Bekenntnis wurden als verschiedene Religionen bewertet. Der Kurfürst Johann Sigismund nahm 1613 den reformierten Glauben an. Da aus Holland, Schweiz und anderen westlichen Gebieten Einwanderer kamen, wurde das reformierte Bekenntnis beeinflusst. Der Kurfürst wollte niemand zum reformierten Bekenntnis zwingen, deshalb blieben seine Frau und seine Tochter beim lutherischen Glauben. Da der Kurfürst Aufsichts- und Hoheitsrechte auf die lutherische Kirche ausübte, kam es zum Kriegszustand zwischen dem lutherischen und dem reformierten Glauben. 1614 wurde verboten, auf der Kanzel zu schimpfen, denn der Kurfürst wollte beide Seiten besänftigen. Professor Calixt wollte diesen Konflikt lösen und veranstaltete zwei Religionsgespräche, die allerdings nichts brachten. Nun wurde Calixt nicht mehr als Lutheraner angesehen. Man nannte ihn nun Synkretisten.

„Aber die lutherischen Theologen haben dies Wort, das im Grunde genommen ein sehr schönes Wort gewesen ist, zu einem bösen Schimpfwort umgewandelt. Synkretisten sind Leute, die aus lauter politischer Berechnung Gewissen und Wahrheit nicht mehr achten. Leute, die rufen: „Friede, Friede“, wo doch kein Friede ist! Sie verwischen den Ernst der Gegensätze und vermitteln, statt tapfer und unerschrocken zu bekennen. Sie machen schwarz aus weiß und weiß aus schwarz, und der Friede, den sie stiften, ist ein fauler Friede, der bei der ersten Probe, die er bestehen soll, zerbricht.“ In Hessen-Kassel kam es zu einer Friedensbewegung durch reformierte Marburger (1661). Sie hofften auf das Übergreifen auf die Nachbarländer. Friedrich Wilhelm, der „Große Kurfürst“, war sehr klug und ein weitschauender Fürst. Sein Ziel war es, sein Land wieder zu vereinigen, denn es war „auseinander gerissen“. Er rief die lutherischen und die reformierten zu einem Religionsgespräch, aber es brachte wieder nichts. Nun brachte er die Verordnung von 1614 nochmals heraus: Man darf keine Schimpfwörter auf der Kanzel benutzen. Am 6. Februar 1666 erklärte Paul Gerhardt dem Konservatorium, dass er sich nicht dem Edikt unterwirft, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Drauf wurde er von seinem Amt abgesetzt. Am 14. Februar hatte er seine letzte Trauung. Paul Gerhardt war einer der hartnäckigsten Gegner der Reformierten. Die Berliner baten den Kurfürst, dass er die Forderung, dass Prediger die Reverse unterschreiben müssen, aufheben soll. Zu dem baten die Berliner, dass er Paul Gerhardt wieder in sein Amt einsetzten soll, denn er erwies sich als friedliebender Mensch. Der Kurfürst ließ sich umstimmen. Er schrieb einen Brief in dem stand, dass die Reversangelegenheit besprochen wird, wenn er wieder zurückkommt. Im Brief schrieb er allerdings nichts über Paul Gerhardt, denn er wollte sich wahrscheinlich noch Zeit lassen zum Überlegen. Früher gab es viele Pastoren, die bei der Unterschrift vom Revers Bedenken gehabt hatten. Die Kinder baten ihren Vater Paul Gerhardt darum, den Revers zu unterschreiben, damit er im Amt bleiben darf. Aber Paul Gerhardt war stur und unterschrieb nicht. Doch der Kurfürst ließ nicht locker: Er wollte für Paul Gerhardt eine Goldene Brücke bauen. Aber es nützte nichts. Am 3. Januar 1667 sagte Friedrich Wilhelm dem Magistrat von Berlin, dass er nachgedacht habe und zum Entschluss gekommen sei, dass er Paul Gerhardt wieder ins Amt einsetzen würde. Aber dieser Kompromiss hatte eine Bedingung: Er müsste sich in Gehorsam fügen.

Viel Leid, viele Lieder
Der Trauer um seine Kinder begleitete ihn ein Leben lang. Johann Crüger, der Melodiendichter zu Paul Gerhardts Lieder, starb am 23. Februar 1662. Seine Ruhestätte war in der St. Nikolaikirche. Sein Bild konnte man dort bis 1944 betrachten. Paul Gerhardt litt unter der Krankheit seiner Frau, die sie seit der Geburt ihres Sohnes Paul Friedrich hatte. Die Krankheit wuchs zu einem unheilbaren Brustleiden heran. Selbst der weit bekannte Hofarzt konnte sie nicht heilen. Paul Gerhardt wollte sie auf die Todesstunde vorbereiten: Er fragte sie, ob er in der Gemeinde um Fürbitte bitten sollte und ob er den Beichtvater um ein letztes, heiliges Abendmahl für sie bitten sollte. Sie stimmte beiden Vorschlägen zu. Kurz vor dem Tod bedankte sie sich bei allen Angehörigen für ihre Hilfe.
Dann nahm sie ihren Sohn Paul Friedrich und ihren Mann ans Herz und sagte zum Jungen: „Gehorche deinem Vater“. Nach dem Tod dichtete Paul Gerhardt ein Trauergedicht:
„Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden“